Sehr geehrte Frau Alexander,
für lhre Mail vom 25. September 2006 möchte ich mich bei lhnen bedanken. Sie verweisen darin auf Misshandlungen, die Kinder in religiösen und staatlichen Heimen von 1949— 1975 in Deutschland erlitten hätten und dass trotz zahlreicher Publikationen die Leiden dieser Menschen ignoriert würden.
Misshandlungen von Kindern in Deutschland und weltweit können und dürfen nicht ungestraft hingenommen werden. Deutschland ist ein demokratischer Rechtsstaat, in dem Betroffene die Möglichkeit haben, auch bereits sehr lange zuruckliegende Misshandlungen juristisch zu verfolgen. Eine für die Betroffenen zufrieden stellende Rechtsprechung gelingt jedoch nicht immer und nicht alle für die Misshandlungen Verantwortlichen werden verurteilt. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Menschen wie Sie weiter aktiv bleiben und sich engagieren, um einem Vergessen dieser Misshandlungen und der Leiden der Opfer entgegenzuwirken.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe ist in seinen Handlungsmöglichkeiten jedoch eingeschränkt. Wir können Menschenrechtsverletzungen im In und Ausland im Ausschuss thematisieren und in unseren Gesprächen mit parlamentarischen Kollegen, Regierungsmitgliedern, Juristen und Vertretern von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen ansprechen. Da der Ausschuss im parlamentarischen Raum wirkt, kann er nicht auf Einzelfälle eingehen. Hierfür ist der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zuständig. Gemäß Art. 17 des Grundgesetzes hat jedermann das Recht sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Dieses Recht steht ihm ausdrücklich neben juristischen Mitteln zur Verfügung. Der Petitionsausschuss hat die Möglichkeit Unterlagen einzusehen, Stellungnahmen einzuholen und diese erneut zu bewerten. Diese Möglichkeiten stehen dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe nicht zur Verfügung.
Da ich Ihre Auffassung teile, dass im eigenen Land die Menschenrechte gewahrt werden müssen, um die Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern glaub würdig kritisieren zu können, setze ich mich—ebenso wie meine Kolleginnen und Kollegen im Ausschusses — für eine Wahrung der Menschenrechte in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ein. Auch ich sehe, dass es für Menschen, die in ihrer Menschlichkeit und Würde verletzt wurden, sehr schwer ist, nicht an dem eigenen Schicksal zu verzweifeln und selber aktiv für Menschenrechte und Demokratie einzutreten. Zahireiche Beispiele machen jedoch immer wieder deutlich, dass sich sehr wohl gerade diese Betroffenen selbst entschieden für die Umsetzung von Demokratie in Deutschland stark machen.
Für ihre weitere Arbeit wünsche ich ihnen Ausdauer und Kraft.
Mit freundlichen Grüssen,
Andrea Kerstges
DEUTSCHER BUNDESTAG
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe – Sekretariat